„Proklos“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
→‎Lehre: Weitere Überarbeitung
→‎Lehre: Weiterer Ausbau
Zeile 23: Zeile 23:


Proklos betont wie alle Platoniker die [[Transzendenz]] der höchsten Gottheit, ist aber zugleich der Auffassung, dass die göttliche [[Vorsehung]] jedes einzelne Individuum betreut. Dies geschieht nicht durch willkürliche Akte der Gottheit, sondern automatisch, da jedes Individuum an den Gesetzen, nach denen die Vorsehung wirkt, Anteil hat und daher in deren Sinn handelt.
Proklos betont wie alle Platoniker die [[Transzendenz]] der höchsten Gottheit, ist aber zugleich der Auffassung, dass die göttliche [[Vorsehung]] jedes einzelne Individuum betreut. Dies geschieht nicht durch willkürliche Akte der Gottheit, sondern automatisch, da jedes Individuum an den Gesetzen, nach denen die Vorsehung wirkt, Anteil hat und daher in deren Sinn handelt.

Die hohe Wertschätzung der Platoniker für die Mathematik, die auf Platon selbst zurückgeht, ist bei Proklos besonders stark ausgeprägt. In seinem Euklidkommentar vertritt er die Auffassung, dass ausnahmslos alle Zweige des menschlichen Denkens mathematisierbar seien, darunter auch die Theologie (Metaphysik). Somit meint er, dass metaphysische Aussagen die Unerschütterlichkeit von Sätzen der Mathematik erlangen können. So wie die Mathematik auf physikalischem Gebiet die Berechnung der Planetenbahnen ermöglicht, lässt sich in der Staatskunde der günstigste Moment für eine politische Aktion berechnen. Auch den Gesetzen der Ethik und der Rhetorik liegen mathematische Gegebenheiten zugrunde; in der Dichtkunst beruhen die Gesetze der Metrik auf bestimmten Proportionen. So erweist sich für Proklos überall die Allmacht der Mathematik; sie "reinigt das Denken", "befreit uns von den Fesseln des Irrationalen" und beschenkt die Seele, indem sie sie zum rein Geistigen hinleitet, "mit einem Leben der Glückseligkeit".


== Rezeption ==
== Rezeption ==

Version vom 15. Januar 2009, 03:01 Uhr

Proklos, griechisch Vorlage:Polytonisch, Próklos ho diádochos "Proklos der Nachfolger (Platons)" (* 8. Februar 412 in Konstantinopel; † 17. April 485 in Athen) war ein spätantiker griechischer Philosoph und einer der bedeutendsten Vertreter des Neuplatonismus.

Leben

Die Familie des Proklos stammte aus Xanthos in Lykien; sein Vater war dort ein wohlhabender Anwalt. In Xanthos erhielt er seine erste Ausbildung in Grammatik. Dann begab er sich nach Alexandria, wo er Rhetorik, Latein und römisches Recht studierte, da er den Beruf seines Vaters ergreifen sollte. Schon damals wandte er sich jedoch der Philosophie zu; er studierte die Lehre des Aristoteles und eignete sich auch mathematische Kenntnisse an. Dabei fiel er durch sein hervorragendes Gedächtnis auf. Nach Beendigung dieser Studien ging er als etwa Neunzehnjähriger (also um 431) nach Athen, wo er zunächst den Neuplatoniker Syrianos kennenlernte. Syrianos stellte ihn dem bereits betagten Philosophen Plutarch von Athen vor, dem Gründer und Leiter der neuplatonischen Schule von Athen, welche dort die Tradition der Platonischen Akademie fortsetzte. So wurde Proklos ein Schüler Plutarchs, der ihn sehr schätzte und ihn in Aristoteles' Schrift De anima ("Über die Seele") und Platons Dialog Phaidon einführte. Plutarch starb etwa zwei Jahre nach Proklos' Ankunft. Sein Nachfolger als Schulleiter wurde Syrianos, an den sich Proklos nun als sein Schüler und Freund anschloss. Syrianos nahm ihn in sein Haus auf und betrachtete ihn als seinen Wunschnachfolger in der Schulleitung. Bei Syrianos studierte Proklos erst die gesamten Schriften des Aristoteles, wofür er weniger als zwei Jahre benötigte, und danach diejenigen Platons.

Als Syrianos 437 starb, übernahm der erst fünfundzwanzigjährige Proklos die Leitung der Schule, die er bis zu seinem Tod 485 innehatte. Zu seinen wichtigsten Schülern zählten Damaskios und Ammonios Hermeiou. Ein weiterer Schüler war der aus Palästina stammende Marinos von Neapolis, der Proklos' Nachfolge als Schulleiter antrat. Marinos verfasste einen Nachruf auf den Verstorbenen unter dem Titel Proklos oder Über das Glück, den er als Rede zum ersten Jahrestag von Proklos' Tod vortrug. Dem Bericht des Marinos zufolge führte Proklos ein asketisches Leben; tagsüber war er unermüdlich als Lehrer und Schriftsteller tätig, nachts widmete er sich dem Gebet. Ein Konflikt mit den Christen, die damals das Oströmische Reich beherrschten, veranlasste Proklos, für ein Jahr nach Lydien auszuweichen, dann kehrte er nach Athen zurück.

Werke

Auf philosophischem Gebiet kommentierte Proklos im Rahmen seiner Lehrtätigkeit eine Reihe von Werken des Aristoteles und Platons. Ob von seiner Aristoteleskommentierung schriftliche Aufzeichnungen angefertigt wurden, ist unbekannt. Erhalten ist jedoch ein Teil seiner Kommentare zu Dialogen Platons, nämlich die Kommentare zum Timaios, zum Ersten Alkibiades, zum Kratylos, zum Parmenides und zum Mythos des Er in der Politeia. Verloren sind seine Kommentare zum Gorgias, Phaidon, Philebos, Phaidros, Theaitetos und Sophistes sowie ein Kommentar zu den Enneaden Plotins.

Von den theologischen Werken des Proklos ist nur ein Teil erhalten, insbesondere die Grundlagen der Theologie (Stoicheíōsis theologikḗ) und die Platonische Theologie (Peri tēs kata Plátōna theologías, lateinisch Theologia Platonica, sechs Bücher).

Außerdem verfasste Proklos Schriften auf dem Gebiet der Mathematik und der Naturwissenschaften. Dazu gehörte ein einflussreicher Kommentar zum ersten Buch von Euklids Elementen der Geometrie (Eis to a' tōn Eukleídou stoicheíōn) mit zwei Vorreden über die Geschichte der Mathematik, die eine wichtige wissenschaftsgeschichtliche Quelle sind. In den Grundlagen der Physik (Stoicheíōsis physikḗ, lateinisch Institutio physica) fasste er Erkenntnisse aus der Physik des Aristoteles zusammen. In der Kurzen Darstellung astronomischer Hypothesen (Hypotýpōsis tōn astronomikōn hypothéseōn) befasste er sich mit den Hypothesen des Ptolemaios.

Lehre

Proklos verstand sich als getreuer Wahrer der platonischen Tradition. Er trat besonders als Systematiker hervor. Es gelang ihm, die neuplatonische Philosophie und Religion erstmals in ihrer Gesamtheit als einheitliches, geschlossenes System darzustellen, indem er ihre Lehrsätze als Glieder einer logischen Kette ableitete und sie so als notwendige Folgen logischer Behauptungen erscheinen ließ. So verfuhr er insbesondere in seinen theologischen Werken (Theologie ist bei ihm im Sinne von Metaphysik zu verstehen). Auf religiösem Gebiet vertrat er den spätantiken philosophischen Synkretismus im Rahmen der Verteidigung der religiösen Vorstellungen des Platonismus gegen das Christentum.

Grundlegend für Proklos' Philosophie ist die zyklische Denkweise; er deutet alles Geschehen als Kreislauf. Jede Wirkung ist ursprünglich in ihrer Ursache vorhanden. Sie tritt aus der Ursache heraus, schreitet von ihr fort und kehrt dann aufgrund einer ihr innewohnenden Tendenz wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Somit vollziehen sich alle Abläufe in drei Phasen: Verweilen (monḗ), Fortschreiten (próodos) und Rückwendung (epistrophḗ). In diesem Sinn ist auch die Emanation, das Hervorgehen jeder einzelnen Realitätsstufe (Hypostase) aus der jeweils übergeordneten Stufe zu verstehen. Die höhere Stufe strahlt auf die niedere aus. So erklärt Proklos im Sinne der neuplatonischen Tradition die Entstehung der Gesamtheit der Dinge als stufenweises Hervorgehen aus dem Ausgangspunkt, dem Einen, welches die oberste, ursprüngliche Realität ist. Die hierarchische Stufenleiter reicht bis zur Materie hinab. Auch das Schicksal der Seele wird als solcher zyklischer Prozess gedeutet. Die Seele ist in die physische Welt hinabgestiegen und wendet sich dann wieder nach oben, ihrem Ursprung zu. Bei dieser Rückwendung spielen das Gebet und die Theurgie eine wichtige Rolle. Einzelheiten des dafür erforderlichen Vorgehens entnimmt Proklos der orientalischen Weisheitstradition (Chaldäische Orakel).

Proklos betont wie alle Platoniker die Transzendenz der höchsten Gottheit, ist aber zugleich der Auffassung, dass die göttliche Vorsehung jedes einzelne Individuum betreut. Dies geschieht nicht durch willkürliche Akte der Gottheit, sondern automatisch, da jedes Individuum an den Gesetzen, nach denen die Vorsehung wirkt, Anteil hat und daher in deren Sinn handelt.

Die hohe Wertschätzung der Platoniker für die Mathematik, die auf Platon selbst zurückgeht, ist bei Proklos besonders stark ausgeprägt. In seinem Euklidkommentar vertritt er die Auffassung, dass ausnahmslos alle Zweige des menschlichen Denkens mathematisierbar seien, darunter auch die Theologie (Metaphysik). Somit meint er, dass metaphysische Aussagen die Unerschütterlichkeit von Sätzen der Mathematik erlangen können. So wie die Mathematik auf physikalischem Gebiet die Berechnung der Planetenbahnen ermöglicht, lässt sich in der Staatskunde der günstigste Moment für eine politische Aktion berechnen. Auch den Gesetzen der Ethik und der Rhetorik liegen mathematische Gegebenheiten zugrunde; in der Dichtkunst beruhen die Gesetze der Metrik auf bestimmten Proportionen. So erweist sich für Proklos überall die Allmacht der Mathematik; sie "reinigt das Denken", "befreit uns von den Fesseln des Irrationalen" und beschenkt die Seele, indem sie sie zum rein Geistigen hinleitet, "mit einem Leben der Glückseligkeit".

Rezeption

Die Werke des Proklos hatten großen Einfluss auf die christliche und arabische Scholastik, insbesondere durch die Vermittlung des Dionysius Areopagita. Seine Grundlagen der Theologie wurden im 13. Jahrhundert von Wilhelm von Moerbeke aus dem Griechischen übersetzt, nachdem ein arabischer Auszug aus diesem Werk als Liber de causis (Buch von den Ursachen) schon zu einem der wichtigsten philosophischen Elementarbücher der Hochscholastik geworden war. Für das Mittelalter, die Renaissance und den deutschen Idealismus wurde er damit zu einem der bedeutendsten Vermittler der neuplatonischen Philosophie. Sein Euklidkommentar wurde von Johannes Kepler teilweise in seinem Buch Harmonice Mundi ("Weltharmonik") ins Lateinische übersetzt.

Quelle

  • Marino di Neapoli: Vita di Proclo, hg. Rita Masullo. Napoli 1985 (kritische Edition der Proklos-Biographie mit italienischer Übersetzung und Kommentar)

Textausgaben

  • Procli Diadochi hypotyposis astronomicarum positionum, hg. Karl Manitius. Teubner, Stuttgart 1974. ISBN 3-519-01732-6 (kritische Edition mit deutscher Übersetzung)
  • Proclus: Théologie platonicienne, hg. Henry D. Saffrey und Leendert G. Westerink, 6 Bände. Paris 1968-1997 (kritische Ausgabe des griechischen Textes mit französischer Übersetzung)
  • Proclus: Sur le Premier Alcibiade de Platon, hg. Alain Philippe Segonds, 2 Bände. Paris 1985-1986 (kritische Ausgabe des griechischen Textes mit französischer Übersetzung)
  • Proclus: Trois études sur la providence, hg. Daniel Isaac, Bd. 1: Dix problèmes concernant la providence; Bd. 2: Providence, fatalité, liberté; Bd. 3: De l'existence du mal. Paris 1977-1982 (kritische Ausgabe der griechischen und lateinischen Texte mit französischer Übersetzung)

Übersetzungen (modern)

  • Proklos Diadochos: Über die Vorsehung, das Schicksal und den freien Willen an Theodoros, den Ingenieur (Mechaniker), übers. und erläutert von Michael Erler. Hain, Meisenheim am Glan 1980. ISBN 3-445-02100-7
  • Proklos Diadochos: Über die Existenz des Bösen, übers. und erläutert von Michael Erler. Hain, Meisenheim am Glan 1978. ISBN 3-445-01882-0
  • Proclus' Commentary on Plato's Parmenides, übers. von Glenn R. Morrow und John M. Dillon. University Press, Princeton 1987. ISBN 0-691-07305-8
  • Proklos: Kommentar zu Platons Parmenides 141 E - 142 A, übers. von Rainer Bartholomai. Richarz, Sankt Augustin 1990. ISBN 3-88345-432-X
  • Proklus Diadochus 410-485: Kommentar zum ersten Buch von Euklids "Elementen", übers. von Leander Schönberger, hrsg. Max Steck. Halle (Saale) 1945 (Übersetzung mit Kommentar)
  • Proclus: Commentaire sur le Timée, übers. von André Jean Festugière, 5 Bände. Vrin, Paris 1966-1968
  • Proclus: Commentaire sur la République, übers. von André Jean Festugière, 3 Bände. Vrin, Paris 1970
  • Proclus: The Theology of Plato, übers. von Thomas Taylor. Frome (Somerset) 1995. ISBN 1-898910-07-3
  • Proclus' Elements of Theology, übers. von Thomas Taylor. Frome (Somerset) 1994. ISBN 1-898910-00-6

Übersetzungen (lateinisch, mittelalterlich)

  • Proclus: Commentaire sur le Parménide de Platon. Traduction de Guillaume de Moerbeke, hg. Carlos Steel, Band 1: Livres I à IV; Band 2: Livres V à VII et Notes marginales de Nicolas de Cues. University Press, Louvain 1982-1985. ISBN 90-6186-124-1
  • Proclus: Elementatio theologica translata a Guillelmo de Morbecca, hg. Helmut Boese. University Press, Louvain 1987. ISBN 90-6186-244-2
  • Die mittelalterliche Übersetzung der Stoicheiosis physike des Proclus. Procli Diadochi Lycii elementatio physica, hg. Helmut Boese, Akademie-Verlag, Berlin 1958

Übersetzung (arabisch, mittelalterlich)

  • Proclus Arabus. Zwanzig Abschnitte aus der Institutio theologica in arabischer Übersetzung, hrsg. Gerhard Endress. Steiner, Wiesbaden 1973

Literatur

  • Werner Beierwaltes: Procliana. Spätantikes Denken und seine Spuren, Klostermann, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-465-03513-8
  • Werner Beierwaltes: Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, 2. Auflage, Klostermann, Frankfurt am Main 1979. ISBN 3-465-01353-0
  • Egbert P. Bos / Pieter A. Meijer (Hrsg.): On Proclus and his influence in medieval philosophy, Brill, Leiden 1992. ISBN 90-0409429-6
  • Matthias Perkams / Rosa Maria Piccione (Hrsg.): Proklos. Methode, Seelenlehre, Metaphysik, Brill, Leiden 2006. ISBN 90-04-15084-6
  • Gyburg Radke: Das Lächeln des Parmenides. Proklos' Interpretationen zur Platonischen Dialogform, de Gruyter, Berlin 2006. ISBN 3-11-019014-1
  • Markus Schmitz: Euklids Geometrie und ihre mathematiktheoretische Grundlegung in der neuplatonischen Philosophie des Proklos, Königshausen & Neumann, Würzburg 1997. ISBN 3-8260-1268-2
  • Lucas Siorvanes: Proclus: Neo-Platonic Philosophy and Science, Edinburgh University Press, Edinburgh 1996. ISBN 0-7486-07684

Weblinks

Primärtexte